Montag, 18. November 2013

Stilblüten mit und ohne Dornen

Wie viel Unsinn man mit Menschen so über die Zeit plappert, bemerkt man erst, wenn man sich angewöhnt hat, die Sprüche, die einem in Erinnerung geblieben sind, zu notieren. Das Ergebnis jahrelangen Bullshittings ist folgende kleine Compilation. Garantiert keine millionenfach auf Instagram durchgekauten Zitate von Berühmtheiten, sondern Aufgeschnapptes aus dem ganz normalen Wahnsinn. Und wer sich als Urheber des einen oder anderen Spruchs wiedererkennt, sollte sich, bevor er gegen mich klagt, eher geschmeichelt fühlen - hey, ich finde euch schlagfertig!

"Du hältst mich wohl für die letzte Schlampe, oder?"
"Nein, für die erste!"

"Im Dunkeln seht ihr alle viel besser aus."

"Warum interessieren sich immer nur Jüngere für mich?"
"Weil du ihnen Süßigkeiten und Babykaninchen versprichst?"

Beim Kellnern: "Drei Spezi für den Tisch da hinten. Und für mich die Gnadenkugel."

"Soll ich was kochen oder willst du?"
"Du stehst näher am Herd. Du kochst."

"Gehen, wir in die Kantine, da gibt's was zu essen."
"Hast du etwa Hunger?"
"Nee, Durst."

"Igitt, du lebst in Bayern und sagst BRÖTCHEN?!"
"Ich bin ganz hart, manchmal sage ich sogar FRIKADELLE!"

Freud'scher Versprecher: "Wie soll ich ihm jetzt in die Augen treten?"

"Häng ihn nicht zu hoch. Aber häng ihn."

"Männer haben immer ihr Feuer in mehreren Eisen. Äh, ihr Eisen in mehreren Feuern. Äh... vergiss es."

"Ich fühle mich gerade wie Napoleon bei Waterloo ... oder wer hat da noch mal gewonnen? Ach so, Napoleon hat verloren? Mein ich doch!"

"Boah, warum hast du ihm nur davon erzählt?"
"Er war doch selbst dabei!"

"Irgendwas habe ich heute scheiße gefunden, aber ich weiß nicht mehr, was es war."

"Ich bin krank, mir geht's gerade echt dreckig."
"Oh, kann ich dir etwas bringen?"
"Den Tod?"

"Ich will sie adoptieren!"
"Bloß nicht! Wenn du für sie das Sorgerecht bekommst, würdest du sie auf den Strich schicken!"

"Wir komischen Vögel sind doch dafür da, uns gegenseitig hochzuziehen."
"Aber hoffentlich nicht am Galgen."

"Und das machst du seit deiner Geburt oder noch länger...?"

"So behandelt man doch keine Frau!"
"Du bist keine Frau, du bist Metallerin!"

"Boah, der Sturm da draußen hat mich fast weggefegt!"
"Cool! Das nächste Mal binde ich dich an einen Faden und verwende dich als Drachen!"

"Wie werde ich Ask als Suchmaschine los?"
"Indem du deine Festplatte formatierst und dann verbrennst!"

"Spielen wir Flaschendrehen!"
"Okay, du da, leg dich in der Mitte auf den Boden!"


"Lass das Schleimen, sonst rutscht du noch aus."
"Kann mir nicht passieren, ich hab Gummistiefel an!"

"Ich nehm Bier mit!"
"Ich nehm Durst mit!"

"Ich habe noch alle Tassen im Schrank!"
"Ja, aber der Schrank ist umgefallen."

"Das ist Mobbing am Arbeitsplatz, was ihr da macht, wisst ihr das?"
"Nein, wieso? Mobbing wäre es erst, wenn sie dabei ist!"

"Gib mir ein Messer, ich will jemand töten!"
"Kommt nicht in Frage."
"Wieso nicht?"
"Du kannst doch selbst in die Küche gehen und dir eins holen!"

"Heute koch ich was Leckeres!"
"Okay, aber vergiss nicht, die Arsenmenge auf das Körpergewicht abzustimmen!"

"Kamillentee?! Ich trink' doch keine Blumen!"

"Sie mag Zaz, das macht sie schon mal sympathisch."
"Pah, bloß weil sie auf Französisch steht!"

Montag, 4. November 2013

Der Mimimist: ein Gesamtkunstwerk

Mit Verbreitung der Social Media, die jedem Wehwehchen eine mächtige Stimme verleihen, hat sich eine revolutionäre neue Kunstform herauskristallisiert: der Mimimismus.
Vertreter dieser Strömung zeichnen sich - wie alle wahren Künstler - durch eine besondere Sicht auf das Weltgeschehen aus. Zielsicher rückt ihr leidgetrübter Blick die wahren Katastrophen der Welt in den Fokus: Regenwetter, abgebrochene Fingernägel, ausbleibende Likes bei Facebook.
Um den Mitmenschen die Augen für das Leiden zu öffnen, produziert der Mimimist im Sekundentakt bedeutungsschwangere Gefühlsupdates. Damit die ignorante Gemeinde ja nicht übersieht, wie verkannt, einsam und verloren der Mimist im Moment ist. Und in zwei Stunden sein wird. Und übermorgen auch.

Die Welt ist schlecht, vergänglich und trist - diese Philosophie kennen wir doch irgendwoher. Und zwar von ungewaschenen Perückenträgern, die ihrem Weltschmerz in prunkvollen Orgien (Partymotto: "Memento mori") davontanzten, im Jahre des Herrn Sechzehnhundert-ich-sterbe-gleich.
Aber im Unterschied zu ihren barocken Urahnen sagen die Mimimisten nicht "Die böse Welt geht morgen unter, also haue ich heute auf den Putz, und wenn sie morgen nicht untergeht, dann feiern wir da weiter" ... nein, das wäre ja Mainstream und eine Verleugnung ihrer tiefen Gemütsregungen.
Nein, der Mimimist überdauert die grauen Stunden vor der Apokalypse in seinem voll vernetzten dunklen Kämmerlein und harrt, leise schluchzend, der Dinge, die da kommen. Was bleibt ihm auch anderes übrig, wenn die herzlosen Menschen um ihn herum weder Zeit noch Gehör für ihn finden und nicht bereit sind, ihr schnödes Tun ruhen zu lassen, um dem Leidenden zur Hilfe zu eilen. 

Und wenn sich doch einer der Herzlosen dazu herablässt, dem Mimisten mit einer helfenden Hand oder einem Rat (die Palette reicht von "Geh doch mal raus" bis "Hör auf zu heulen, das will keiner hören"!) beizustehen, wendet sich dieser mit einem gequälten Lächeln ab. Dieses manifestiert sich in seiner bevorzugten elektronischen Ausdrucksform in bitteren Kommentaren wie "Ihr versteht nicht, was ich durchmache, ihr könnt ja gut reden, aber wenn ihr an meiner Stelle wärt, würdet ihr euch genauso fühlen! Ihr redet nur, aber helfen tut mir keiner!"
Der Mimimist legt nämlich eine Kritikresistenz an der Tag, von der seine verkannten Vorgänger nur träumen können. Jeder Versuch von Banausen, seine düsteren Gedanken als Gejammer abzutun, jegliche Blasphemie in Form eines nüchternen Lösungsvorschlags wird gekonnt als Vorlage für weitere Kunstwerke des Leidens verwendet. Im Fundus des Mimimisten findet sich vielfältiges Handwerkszeug, den Kritikern zu trotzen: Ignorieren, Ausweichen, nebulöse Vorwürfe oder betretenes Schweigen, wenn er verbittert einsieht, dass er die Massen nicht zum Mitgefühl bekehren kann.

Liebe Nicht-Mimimisten, lasst euch sagen: Ihr versteht gar nichts! Die Ausführungen des Mimimisten sind kein Gejammer, sondern eine Kunstform. Er will keine Ratschläge hören, sondern ... was eigentlich? Ein weiterer charakteristischer Zug dieser Zunft ist nämlich, dass man ihren Vertretern es nicht recht machen kann. Da telefoniert man stundenlang oder eilt durch die Nacht, dem Mimimisten in seinem Leid beizustehen, weil man seinem schluchzenden Lockruf folgte ... und stellt am nächsten Morgen beim Durchschauen der Facebook-Updates fest, dass man doch nur als Muse gedient hat für weitere Ergüsse darüber, wie sehr der Mimimist von allen in Stich gelassen und verachtet wird.

Ich bin dafür, ein Museum des Mimimismus zu erbauen. Und so fest, wie die Künstler überzeugt sind, dass sich keiner dafür interessieren wird - es wird aus allen Nähten platzen.