Freitag, 4. Oktober 2013

Akte Arschloch

"Männer und Fraun sind das nackte Graun,
wenn sie sich stundenlang tief in die Augen schaun,
und die Frauen andren Fraun ihre Männer klaun,
und die Männer sowieso nur Scheiße baun."


Ein Körnchen Wahrheit muss in diesem Ärzte-Lied stecken – warum sonst singen wir immer wieder mit, obwohl es schon mindestens ein halbes Jahr regelmäßig aus dem Autoradio dudelt?
Um der Emanzen-Keule auszuweichen: Nicht alle Männer bauen Scheiße, wohlgemerkt. Nur die spezielle Unterart "Arschloch", deren Population sich dank der evolutionären Vorteile jedoch von Jahr zu Jahr (oder in der subjektiven Sichtweise "lebenserfahrener" Frauen: von Beziehung zu Beziehung) exponentiell steigert.
Aber woraus bestehen diese evolutionären Vorteile, die dazu führen, dass sich die Arschlöcher stets aus Jagdgründen voller williger Frauen bedienen, während ihre weniger anpassungsfähigen Zeitgenossen (auch "nette Kerle" genannt) sich seit Jahren mit einem halbherzigen "Hallo, wie geht's" der heimlich Angebeteten sowie beinahe ebenso unnerreichbaren Pixel-Busenwundern über Wasser halten?
Meine Feldstudien haben einige Lösungsansätze ans Tageslicht gebracht, die so bahnbrechend sind, dass sie bereits von sämtlichen Frauenzeitschriften (dazu zähle ich auch "Men's Health") durchgekaut wurden.
Und dennoch lernen wir nichts dazu – so leicht lassen sich die perfiden Mechanismen der weiblichen Psyche nicht umprogrammieren. Die da wären:


  1. Frauen sind das wahre starke Geschlecht.
    Man kann es Mutterinstinkt nennen oder das Engel-Phänomen (einen Autopsiebericht desselbigen lest ihr hier), Tatsache ist: der weibliche Beschützertrieb gleicht einem Filter, der nur die kaputten, verletzten oder in irgendeiner Form "unfertigen" potentiellen Geschlechtspartner ins Sichtfeld oder gar ins Herz der beziehungswilligen Frauen diffundieren lässt.
    Anders als Raubtiere, die dank desselben Radarsystems Beutetiere ausfindig machen, tun Frauen dies mit einem hehren Ziel: den Angebeteten aufpäppeln, beschützen, retten und ihm wieder einen Glanz in die gequälten Augen zaubern (letzteres gelingt am besten postkoital). Sei es durch nächtliche Seelenschmerz-Telefonate, Geldspritzen oder etwaige Liebesdienste: Der arme Auserwählte wird augenblicklich in einen Kokon aus Verständnis, Zuneigung und Selbstaufopferung gehüllt, denn...

  2. Arschlöcher sind vom Leben gezeichnet und müssen gerettet werden!
    Weder diesen starken Frauen noch ihren Arschloch-Auserwählten scheint die Binsenweisheit "Karma is a bitch" ein Begriff zu sein. Nein, eine gescheiterte Existenz ist das Arschloch natürlich nicht aus Eigenverschulden, sondern, weil ihm das Leben chronisch übel mirgespielt hat.
    Wenn der Angebetete mit Ende zwanzig noch bei Mutti logiert, liegt es daran, dass sie ihn schlimmer tyrannisiert als Kim-Jong das gangnamstyle-freie Nordkorea. Wenn er keinerlei Karriere vorzuweisen hat außer unqualifizierten Gelegenheitsjobs, dafür aber eine Latte an gescheiterten Beziehungen, gegen welche die Chinesische Mauer aussieht wie Nachbars Gartenzaun, ist dies nur ein trauriger Beweis für die Ungerechtigkeit der Menschen.
    Seine Exfreundinnen? Allesamt eifersüchtige Psychopathinnen und promiskuitive Lügnerinnen, die die Gutherzigkeit des Armen ausgenutzt und ihn dann verlassen haben, als es nichts mehr zu holen gab. In seltenen Fällen hatte der gepeinigte Traummann schweren Herzens selbst einen Schlusstrich gezogen, weil er diesen Hexensabbat auf seinem Nervenkostüm nicht mehr ertragen konnte.
    Analog wussten die ehemaligen Chefs – falls vorhanden – das Engagement des unqualifizierten Hotel-Mama-Bewohners einfach nicht zu schätzen. Und falls dem Arschloch wenigstens die traumatisierende Begegnung mit der Berufswelt erspart geblieben war, dann natürlich nicht wegen mangelnder Bildung oder Arbeitsmoral, sondern weil ihn entweder die lädierte Psyche (siehe oben) oder ein seltenes körperliches Gebrechen davon abhielten. So bekommt das Arschloch beispielsweise alleine beim Gedanken an Arbeit Depressionen oder unerklärliche Migräneanfälle, alsbald krümmt sich sein ohnehin gramgebeugter Rücken vor Schmerzen, die jede körperliche Tätigkeit unmöglich machen.
    Was bleibt da der neuen Flamme übrig, als sich in eine glänzende Paladinsrüstung zu werfen (mit vorteilhaftem Dekoltee, natürlich), sich auf ein weißes Ross zu schwingen, dem geschwächten Gefährten aufsitzen zu helfen und mit ihm in eine bessere Zukunft zu galoppieren? Hand auf's Herz -
  1. Jede Frau will die Eine sein.
    Und das geht natürlich nur, wenn sich die Herzensdame immer und überall als Ausnahme von der Regel stilisiert und ihrem Geliebten zeigt, dass es noch Menschen gibt, die es gut mit ihm meinen. Indem sie dem Arschloch dann aufhilft, wenn die boshaften Mitmenschen ihn fallen lassen würden. Sich wund arbeitet, wo andere Hilfe verweigern würden. Und erduldet, erduldet, erduldet.
    Seitensprünge werden verziehen, Ausraster und schizophrene Schübe Wunden leckend weggelächelt, blanke Ignoranz toleriert – das sind doch alles nur Symptome einer gequälten Seele und Versuche, die Liebste auf Distanz zu halten. Verständlich, ist das Arschloch doch gewöhnt, von nahe stehenden Menschen verletzt zu werden.
    Aber auf diese Abwehrmechanismen fallen wir nicht rein, nein, wir besiegen das System und halten tapfer alle Krisen durch, bis Mr. Right endlich geheilt ist und die emotionalen Investitionen Rendite bringen. Schließlich will sich keine Frau in die Riege der diabolischen Exfreundinnen einreihen, die diesen Jackpot vom Mann mangels Anstand und Geduld fallen ließen. Wenn nicht wir den Prinzen retten, wer dann? Dann ist sein Weltbild für immer zerstört und der Ärmste ist verloren. Also nix mit "the one that got away" – "the one that settled" ist das Credo starker Frauen!

  2. Arschlöcher sind nur Traummänner, die sich nie ausleben durften.
    Natürlich ist keine Frau so naiv, rein aus Mitleid mit einem hoffnungslosen Fall zusammenzukommen oder, Gott bewahre, zusammenzubleiben. Wir stehen den Kampf um die Seele des Liebsten durch und trotzen den Drachen seiner Psyche, weil wir uns das flammende Banner seiner Tugenden vor Augen halten.
    Wer, wenn nicht er, würde uns solch romantische Gedichte schreiben, denen schiefe Reime und metrische Stolpersteine erst die Würze und Authenzität verleihen? Wer sonst würde mit seiner Spontaneität und seinem tiefen Wissen um unsere Wünsche sogar einem Geschenk aus dem Ein-Euro-Laden mit emotionaler Bedeutung aufwerten?
    Obendrein trägt unser Plan, die Eine zu sein, erste Früchte – mit seinen gewissenlosen Verflossenen hat der Liebste garantiert nicht so intensiv übers Heiraten und Kinderkriegen gesprochen wie mit uns. Genauso wenig, wie er vor diesen Harpyen sein Herz so ausschütten konnte. Seine empfindsame Seele spürt nun mal, wer es wirklich ernst mit ihm meint, und genauso ernst meint er es mit uns. Wir müssen uns nur in Geduld üben; solch große Zukunftspläne brauchen Zeit, sich zu entfalten. Immerhin spart Mr. Right schon auf einen Verlobungsring, den er uns mit einer groß angelegten romantischen Geste überreichen wird. Irgendwann.
    Bis dahin wärmen wir uns an immateriellen Werten, an Sätzen, die seine Liebe und seine Einzigartigkeit besiegeln: "Ich bin immer ehrlich zu dir", "Du bist etwas ganz Besonderes", "Ich bleibe dir immer treu", und ... das ultimative Sesam-Öffne-Dich für Herzen (und Bhs): "Ich war noch mit keiner Frau so glücklich wie mit dir".


Eine solche Liebe ist prädestiniert dafür, ewig zu halten. Umso härter fällt die edle Retterin aus allen Wolken, wenn der vermeintlich unbewaffnete Schützling aus den Untiefen des Rosenrkriegs-Arsenals den Hammer hervorholt: "Wir haben uns auseinandergelebt."
Wobei, auch hier beweist der Liebste nichts als grenzenlose Feinfühligkeit. Die Dame, deren Rettungsversuche für sein Nervenkostüm nicht mehr tragbar waren, verschont er mit den wahren Gründen der Trennung. Diese spart er sich für Freunde (ja, genau die, die ihn immer hängen lassen), vielversprechende weibliche Bekanntschaften und Mutti auf. Ihnen offenbart er kummervoll die harte Realität: Unter der schilldernden Paladinsrüstung seiner Liebsten hat sich mit der Zeit ein eifersüchtiges, klammerndes, unreifes Herz offenbart – genauso schwarz und verdorben wie die Pumporgane ihrer Vorgängerinnen. Sie war doch nicht die Eine. Aber wer so oft verletzt wurde, verträgt gerade noch so auch diese Enttäuschung. Klappe, die nächste!